Stellungnahme der Studentischen Lehramtskonferenz
Am 11.02.2019 veröffentlichte die Norddeutsche Neueste Nachrichten den Artikel „Fachhochschule bringt mehr Praxis ins Lehramtsstudium“. Dieser berichtet über die Pädagogikausbildung in MV und lobt dabei die Fachhochschule des Mittelstandes, welche ambitionierte Studierende zu Lehrkräften ausbildet. Des Weiteren geht der Artikel auf den Praxisbezug ein und dass die Fachhochschule des Mittelstandes ein Lehramtsstudium für Grundschullehrämter anbiete, welches mit dem einer Universität gleichzusetzen sei. Die hier ausgebildeten Lehrkräfte seien ohne Referendariat und jegliches Staatsexamen als vollwertige Lehrkräfte anzusehen, welche noch dazu mehr Praxis aufweisen könnten.
Zu diesem Artikel möchte der Vorstand der Studentischen Lehramtskonferenz folgend Stellung beziehen.
Wir, als Studierende der Universität Rostock, begrüßen es grundsätzlich, dass Institutionen Seiteneinsteiger*innen den Einstieg in die Lehramtsausbildung erleichtern wollen. Schulen und vor allem die Schülerinnen und Schüler benötigen pädagogisch geschultes Personal, um qualitativ hochwertigen Unterricht zu gewährleisten.
Wovon wir uns jedoch klar distanzieren möchten, sind folgende Inhalte des Artikels:
Es wäre äußerst fatal, eine wesentlich abgekürzte und wenig vertiefte Ausbildung einer wissenschaftlich fundierten und umfangreicheren universitären Lehramtsausbildung gleichzustellen oder gar vorzuziehen. Der Seiteneinstieg kann keine dauerhafte Lösung sein, um das mangelhafte Verhältnis von Schüler*innen und Lehrer*innen auszugleichen. Er sollte wie jede Fortbildung unterstützt werden, aber keinesfalls einen größeren Fokus erhalten als das deutlich umfangreichere Lehramtsstudium mit anschließendem Referendariat.
Im Regelfall dauert ein Lehramtsstudium an der Universität Rostock zwischen viereinhalb und fünf Jahre bis zum ersten Staatsexamen, danach folgen in MV eineinhalb zusätzliche Jahre Referendariat an einer Schule bis zum zweiten Staatsexamen. Bis zum Erlangen des zweiten Staatsexamens werden zahlreiche weiterführende Inhalte vermittelt und zukünftige Lehrkräfte in deutlich mehr Disziplinen geschult, als es in drei oder vier Jahren Bachelor-Studium überhaupt möglich sein könnte. Enttäuscht sind wir ebenfalls über den beiläufigen Bezug zur Inklusion. Für uns ist Inklusion mehr als nur die Beschriftung auf einer Kiste mit Unterrichtsmaterialien. Sie steht für einen zu verinnerlichenden Prozess, der vor allem angehenden Lehrer*innen vermittelt werden muss. Dazu gehört unter anderem die Gleichstellung der Schüler*innen, zum Beispiel in Schrift und Sprache.
Entgegen der Darstellung im Artikel verläuft unser Studium ganz und gar nicht fernab der Praxis. Auf jeden Studierenden kommen zahlreiche Monate an Praktika und schulpraktischen Übungen (SPÜs). Die Praktika sind auf das Gesamtstudium frei einteilbar, während die SPÜs fest im dritten Studienjahr verankert sind.
Wir sehen natürlich Reformbedarf im Lehramtsstudium, unter anderem beim Praxisbezug. Die Erhöhung des Anteils an Berufsfeldbezug und Fachdidaktik ist eines unserer Hauptanliegen zur Verbesserung des Lehramtsstudiums. Dafür setzen sich zahlreiche Studierende in den universitären Gremien und auch der Arbeitsgruppe des Ministeriums ein. Beispielsweise zeigt die Arbeitsgruppe „Verbesserung des Studienerfolgs im Lehramt“, dass Land, Hochschulen und Studierendenschaft produktiv zusammenarbeiten können. Es gab hier wichtige, neue Denkanstöße.
Zuletzt empfinden wir es als unverantwortlich, angehende Studierende damit zu locken, dass ein Studium ohne abschließendes Referendariat auch nur ansatzweise gleichwertig Anerkennung findet. Seiteneinsteiger*innen im Lehrberuf warten in MV zwischen fünf bis elf Jahre darauf, auch nur die Chance zu erhalten, verbeamtet zu werden. Dass die Verbeamtung in den wenigsten Fällen der gleichen Besoldungsstufe entspricht, wie bei Lehrkräften mit dem zweiten Staatsexamen, liegt auf der Hand. Die Möglichkeiten außerhalb von MV sehen nicht besser aus, weswegen uns die aufgestellten Versprechen illusorisch erscheinen.