Offener Brief zur Durchführung des Sommersemesters im Land Mecklenburg-Vorpommern

31.03.2021

Offener Brief zur Durchführung des Sommersemesters im Land Mecklenburg-Vorpommern

 

Sehr geehrte Frau Ministerin Martin,

sehr geehrte Frau Staatssekretärin Bowen,

sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung,

sehr geehrte Mitglieder des Landtages,

 

Wir, die Studierendenschaften der Universität Rostock, der Universität Greifswald, der Hochschule Wismar, der Hochschule Neubrandenburg und der Hochschule für Musik und Theater Rostock, haben uns erneut zusammengetan, um Ihnen unsere Bedenken zur Strategie der Durchführung des Sommersemesters mitzuteilen.

Bereits seit einem Jahr sind die Studierendenschaften der Universitäten und Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit dem Bildungsministerium im Gespräch, um die Beeinträchtigungen der Corona-Pandemie für die Studierenden möglichst stark begrenzen zu können. Hierbei ging es neben der Studierbarkeit immer auch um die Gesundheit und Sicherheit der Studierenden und aller anderen Universitäts- und Hochschulangehörigen.

Trotz einer erneuten Infektionswelle mit stark steigenden Infektionszahlen sowie mehreren deutlich ansteckenderen Mutationen des Virus, welche sich derzeit weltweit verbreiten, möchte das Bildungsministerium nun über Öffnungsstrategien für das Sommersemester diskutieren.

Unserer Meinung nach ist eine Öffnungsdebatte in der jetzigen Situation jedoch fehl am Platz. Es geht um die Gefährdung der Gesundheit unserer Studierenden in M-V, welche der Lehre nicht so einfach untergeordnet werden sollten. Eine angemessene Studierbarkeit sollte jeder*m ermöglicht werden, die Infektionsgefahr dabei jedoch nicht weiterhin unverhältnismäßig ansteigen.

 

Wir empfinden die Möglichkeit einer Präsenzlehre in solchen Fällen, in denen sie sich als nicht zwingend erforderlich erweist, aufgrund der derzeitigen Lage als unangemessen. Die Vorgabe eines bloßen Rahmens ist unzureichend. Es muss eine explizite Regelung getroffen werden, die einen objektiven Kriterienkatalog beinhalten muss. Zudem ist eine Präsenzlehre, wenn sie nicht zwingend erforderlich ist, schlichtweg ein weiterer „Hotspot“, welches das Infektionsgeschehen weiterhin befördern würde. Jegliche Präsenzlehre stellt einen gravierenden Nachteil für diejenigen dar, die sich aufgrund gesundheitlicher Aspekte oder aus einer berechtigten Angst vor einer Infektion heraus, nicht zu Präsenzveranstaltungen begeben möchten.

Wir fordern, dass die Lehre für das gesamte Sommersemester ausschließlich online abgehalten wird, sofern es sich nicht um Veranstaltungen handelt, welche zwingend in Präsenz stattfinden müssen. Vorausgesetzt, Präsenz erweist sich als zwingend erforderlich, fordern wir zusätzlich, dass sich Teilnehmende zwingend einem Schnelltest unterziehen müssen, um das Infektionsrisiko auch in diesen Veranstaltungen weitestgehend ausschließen zu können. Die Gesundheit der Studierenden sollte hierbei stets im Vordergrund stehen.

 

Aufgrund des Infektionsgeschehens wird nicht nur über die Durchführung des Lehrbetriebes diskutiert, sondern auch über Prüfungsmodalitäten. Diese sind von Hochschule zu Hochschule und von Studienordnung zu Studienordnung unterschiedlich geregelt. Hausarbeiten können, wo sie vorgesehen sind, weiterhin – jedoch aufgrund des eingeschränkten Bibliotheksbetriebes zum Teil mit erheblichen Einschränkungen – durchgeführt werden. Mündliche Prüfungen sind bereits ohne sichere Rechtsgrundlage an verschiedenen Universitäts- und Hochschulstandorten digital durchgeführt worden.

Wo jedoch in der Studienordnung keine Alternativen zu einer schriftlichen Klausur vorgesehen sind, besteht aktuell eine enorme Rechtsunsicherheit. Universitäten und Hochschulen verweisen auf eine mangelnde rechtliche Grundlage seitens des Bildungsministeriums. Das Bildungsministerium hingegen verweist auf die Hochschulautonomie. Hier vermissen die Studierendenschaften des Landes eine lösungsorientierte Absprache. Da, wo das Ministerium mit den Rektoraten in Gesprächen ist, werden die Studierendenschaften außenvorgelassen und bestenfalls nachträglich informiert.

 

Wir fordern daher eine stärkere Beteiligung der Studierendenschaften in der Verabschiedung von Erlassen und Rechtsverordnungen hinsichtlich digitaler Prüfungsformate. Unabdingbar ist hier, dass während einer schriftlichen Prüfung keine audiovisuelle Überwachung erlaubt sein darf. Eine solche Form der Überwachung birgt große Missbrauchspotenziale und wird unsererseits als unverhältnismäßige Maßnahme abgelehnt. Stattdessen soll eine entsprechende Rechtsgrundlage darauf konzentriert sein, Rechtssicherheit für die Durchführung und Bewertbarkeit zu schaffen und Missbrauch zu vermeiden. Prüfungen sind in der Regel ohnehin bereits so konzipiert, dass groß angelegte Betrugsversuche gar nicht möglich sind, da es sich zumeist um Anwendungsaufgaben handelt beziehungsweise die reine Fülle der Aufgaben verhindert, dass im großen Stil Betrugsversuche unternommen werden und zu einer erfolgreichen Prüfung führen können. Selbst, wenn man diesen Generalverdacht berücksichtigt, ist eine audiovisuelle Überwachung von Studierenden während einer Prüfung kein pragmatischer Ansatz.

 

Nach wie vor gibt es keine Lösungsansätze hinsichtlich der Ausstattung mit entsprechender Hard- und Software von Studierenden. Nicht alle Studierenden sind finanziell dazu in der Lage, sich technisch auf die andauernde Pandemiesituation einzustellen.

Der Lernerfolg ist während eines digitalen Semesters abhängig von den individuellen häuslichen und privaten Umständen. Studierende, die sich dazu entschließen, eine Prüfung abzulegen, müssen einen zusätzlichen Freiversuch erhalten, damit eine Gleichberechtigung gewährleistet ist. Wird die Prüfung nicht bestanden, wird kein regulärer Versuch der betroffenen Person abgezogen. Sollte die Prüfung bestanden werden, ermöglicht der Freiversuch eine Verbesserung der im Pandemie-Semester abgelegten Prüfung durch eine zusätzliche Wiederholungsprüfung. Derartige Freiversuche sind aufgrund der pandemischen Lage und der Maßnahmen der Regierung als Nachteilsausgleich zwing erforderlich.

 

Die finanzielle Situation vieler Studierenden ist derzeit ungeklärt und auf Grundlage der verlängerten Regelstudienzeit wird die Lebensgrundlage für BAföG-Beziehende auch im Sommersemester abgesichert.

Durch die pandemische Lage ist der Schutz der Studierenden, die zur Risikogruppe zählen, im Sinne der Landeskonferenz der Studierendenschaften (LKS) und darf nicht durch Abschlussdruck gefährdet werden.

Die LKS setzt sich daher für eine Verlängerung der Regelstudienzeit ein.

Gleichzeitig muss eine Regelung dafür getroffen werden, dass die Erbringung entsprechender Leistungsnachweise, die gewöhnlich im 4. Semester erfolgen muss, ebenfalls aufgeschoben werden kann, ohne dass sich hieraus Nachteile für die Studierenden ergeben.

 

Nun ist Ihrerseits konsequentes politisches Handeln gefragt, um auf die aktuelle Situation angemessen zu reagieren. Eine reguläre Durchführung des Sommersemesters 2021 ist nicht möglich. Ein digitales Semester sowie digitale Prüfungen ohne audiovisuelle Überwachung und eine erneute Regelstudienzeitverlängerung sind in Verbindung mit einer landesweiten Freiversuchsregelung von Nöten, um die Studierbarkeit und die Studienfinanzierung auch im digitalen Semester langfristig zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen,

 

gez.

 

Der AStA der Universität Rostock

Der AStA der Universität Greifswald

Der AStA der Hochschule Wismar

Der AStA der Hochschule Neubrandenburg

Der StuRa der Hochschule für Musik und Theater Rostock

 

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